Eine Philosophie des Kampfes

Ein Mann fand einen Schmetterlingskokon und nahm ihn mit nach Hause, um den Schmetterling schlüpfen zu sehen.

Eines Tages wurde eine kleine Öffnung sichtbar. Während mehrerer Stunden kämpfte der Schmetterling, doch es schien als könne er seinen Körper nicht über einen bestimmten Punkt hinaus bringen. Da glaubte der Mann, dass etwas nicht richtig sei, und nahm eine Schere, um den Rest des Kokons aufzuschneiden.

Der Schmetterling schlüpfte jetzt mit Leichtigkeit heraus; ein großer aufgedunsener Körper mit kleinen, schrumpeligen Flügeln. Der Mann dachte, dass sich die Flügel in ein paar Stunden zu ihrer natürlichen Schönheit entfalten würden, doch es geschah nicht.

Anstatt sich in ein Geschöpf zu verwandeln, das frei war zu fliegen, verbrachte der Schmetterling sein Leben damit, einen geschwollenen Körper und aufgedunsene Flügel mit sich herumzuschleppen.

Der enge Kokon und der Kampf der nötig ist, um durch die enge Öffnung hindurchzuschlüpfen, sind der Weg der Natur, Flüssigkeit vom Körper in die Flügel zu zwingen.

Der gnadenvolle Schnitt war in Wirklichkeit eher grausam.

Manchmal ist ein Kampf genau das, was wir brauchen.

Die 3 Philosophien des Wing Tsun Hauses
Im Wing Tsun fließen die drei vorherrschenden Philosophien in China zusammen. Der Buddhismus, Daoismus und Konfuzianismus, diese haben die Kampfkunst entscheidend geprägt und zu ihrer Entwicklung beigetragen. Man kann in den verschiedenen Teilen des Systems, wie zum Beispiel den Formen oder den Anwendungen, bestimmte Aspekte der einzelnen Philosophien erkennen.

Buddhismus

In besonderer Weise hat der Ch’an Buddhismus einen großen Einfluss auf die Kampfkunst genommen, diesen kann man in vielen Aspekten entdecken. Der Schüler muss Geduld lernen und versuchen, die ihm gestellten Aufgaben, welche in vielerlei Hinsicht auftreten können, zu bewältigen, ohne dass er aufgibt. Denn schon das Wort „Kung Fu“ bedeutend aus dem Chinesischen übersetzt „harte Arbeit“. Und ist der Schüler bereit, diese harte Arbeit einzubringen, welche man zum Beispiel, als regelmäßige Trainingsteilnahme und beständiges Trainieren im Bezug auf das Wing Tsun bezeichnen kann, wird er große Fortschritte beim Erlernen, aber auch bei der persönlichen Entwicklung erfahren.


Zudem soll man der buddhistischen Lehre nach nicht an bestimmten vorher gesetzten Zielen festhalten, sondern den Weg als Ziel sehen, und dies ist das Kampfkunsttraining und nicht das Erreichen bestimmter Ziele. So ist es dem Übenden möglich, seine ganze ihm zur Verfügung stehende Energie in das Erreichen der Perfektion der Bewegungen und Abläufe zu stecken. Dies wird auch in der ersten Form, der „Siu Nim Tau“ deutlich. Hier wird insbesondere die Konzentration auf einzelne Bewegungen trainiert, durch solche Übungen kann man auch im Alltag und im Beruf sich besser auf bestimmte Punkte konzentrieren und diese dann schneller und effektiver erledigen.

Daoismus

Durch den Daoismus wurden vornehmlich die Techniken und Bewegungsabläufe, sowie Prinzipien, des Wing Tsun beeinflusst. Er lehrt das Nachgeben und Fließen, dies bedeutet aber nicht auf die Kampfkunst bezogen, dass man sich durch die Kraft des Gegners beeinflussen lässt, sondern das man durch nachgeben die Kraft des Gegners ableitet und sich zu Nutzen macht. Somit ist dies keine Schwäche, sondern eine Besonderheit, die das System einzigartig macht. Da es dadurch auch von körperlich Schwächeren gegen einen körperlich überlegenen Gegner mit Erfolg angewendet werden kann.

Zudem ist der Daoismus die Lehre von der Harmonie der Gegensätze, welche durch das Symbol des „Yin und Yang“ dargestellt wird. Diese stellen die Gegensätze dar, die es gibt, zum Beispiel passiv und aktiv, oder stark und schwach. Wenn man das Symbol aber betrachtet, kann man in jedem Teilbereich auch den Gegenteiligen zu einem kleinen Teil erkennen. Vereint werden die Teile durch einen Kreis welcher die Vollkommenheit darstellen soll.

Ein bekanntes Wing Tsun Prinzip, das dem Daoismus entstammt, ist das „Wu-Wei“- Prinzip, dies heißt übersetzt „Tun durch Nichttun“. Dies bedeutet, man handelt ohne vorheriges planen auf den Angriff des Gegners. Es darf aber nicht interpretiert werden, als „Nicht-Handeln“, sondern eher, als nicht gegen die Kraft und Angriffsrichtung des Gegners handeln, sowie ökonomisches Handeln, mit möglichst wenig Kraftaufwand eine bestimmte Situation klären.

Konfuzianismus

Durch den Konfuzianismus wird dem Übenden Umgang mit andern Menschen und der gegenseitige Respekt beigebracht. Das Wing Tsun ist ein Familiensystem, in welchem es eine bestimmte Struktur gibt, Sifu (Vater-Lehrer), Sihing (Bruder Lehrer), To Dai (Schüler). Zwischen diesen gibt es ein Lehrer-/Schülerverhältnis, dieses ist durch fairen und respektvollen Umgang miteinander geprägt. Der Lehrer soll mit gutem Beispiel voran gehen, und der Schüler soll respektvoll zum Lehrer handeln.

Zudem lehrt der Konfuzianismus den Weg der Mitte, man darf nicht in die Extreme abweichen, um den Weg zu bestreiten und das Ziel zu erreichen muss man einen Ausgleich finden.