Der letzte Großmeister aller WT Stile

yipman01Yip Man wurde am 1. Oktober 1893 in Fatshan Provinz Guandong/Kwantung geboren. Er war dort mit Cheung Wing Sing verheiratet und war Vater von 2 Söhnen (Yip Ching und Yip Chung) und 2 Töchtern (Ar Sun und Ar Wun). Er starb im Alter von 79 Jahren am 02. Dezember 1972 in Hong Kong. Seine WT Lehrer waren Si-fu Chan Wah Shun und Si-Sok Leung Bik.

Yip Man, das Oberhaupt des WT-Stils, galt nicht nur unter seinen Anhängern, sondern in der Kung-Fu-Welt überhaupt – also über die Stile hinaus – als Großmeister. Yip Man hatte wenig übrig für die Eitelkeiten dieser Welt. An Ruhm und Reichtum lag ihm nichts. Auch fehlte ihm das rüde und menschenverachtende Auftreten, das so manche Kung-Fu-Leute pflegen. Wer den Vorzug hatte, Yip Man kennenzulernen, fühlte sich in seiner Gesellschaft sofort entspannt und wie zu Hause. Seine Herzlichkeit, Aufrichtigkeit und Gastfreundschaft wurden in allen Handlungen offenbar. Seine Unterhaltungen im Fatshan-Dialekt spiegelten sein sorgloses und freundliches Naturell. Man konnte ihn wahrlich als Gentleman und Gelehrten bezeichnen.

yipman02Hier ist eine kleine Anekdote aus Yip Mans Leben:
Ein Boxer namens Kam Shan Mao aus der Kiangshi-Provinz in Nordchina kam nach Fatshan, um sich als Lehrer bei der Ching Wu Athletic Association von Fatshan zu bewerben. Er brüstete sich mit seinem Können und äußerte sich abfällig und in beleidigender Weise über den Standard der Kung-Fu-Leute in Fatshan. Deshalb wollten die Direktoren der Ching Wu Athletic Association ihm die Stellung auch nicht mehr geben. Stattdessen lud man ihn ein, bei einer Wettkampfveranstaltung im Fatshan-Theater gegen den berühmten Yip Man zukämpfen. Yip Man war wohl selbst vorher nicht gefragt worden, jedenfalls weigerte er sich zunächst, mit diesem Mann öffentlich zu kämpfen. Erst als Lee Kwong Hoi, ein berühmter Kräuterarzt aus Fatshan, ihn inständig darum bat, sagte er widerwillig zu.

Am Kampftag war das Theater gefüllt von Schaulustigen. Zur Enttäuschung aller, die einen langen und abwechslungsreichen Kampf erwartet hatten, schlug Yip Man seinen Gegner innerhalb der ersten Minute k.o. So erklärte der Kampfrichter, Tam Sheung Chi, ihn zum klaren Gewinner. Die Zuschauer waren über die Kürze des Kampfes so enttäuscht und wütend, dass ein lauter Tumult ausbrach, den der Veranstalter nur dadurch beenden konnte, dass er als Ersatz weitere – sofort folgende – spannende Wettkämpfe mit anderen Boxern ankündigte.

So wurde Yip Man in den letzten 10 Jahren als Fatshans größter Kampfkunst-Experte berühmt. Aber er hatte niemals die geringste Absicht, sein Wissen weiterzugeben und Schüler zu unterrichten. (Er hatte es wohl auch finanziell nicht nötig, so dass er in der glücklichen Lage war, WT als schönes, privates Hobby zu betreiben. Der Übersetzer) Er beherzigte immer das ursprüngliche Gebot, dass WT nach dem Willen seiner Gründerin nicht verbreitet werden soll. Für ihn war WT eine wirklich tödliche Methode innerhalb der Kampfkünste. Je mehr er sich ins WT vertiefte, desto mehr Bewunderung gewann er für den praktischen Wert dieses Selbstverteidigungssystems. Deshalb hätte er es sich damals auch nicht vorstellen können, einmal selbst Leute in dieser Kunst zu unterrichten.
Im 2. Weltkrieg, als der größte Teil Chinas von den Japanern kontrolliert wurde, wurde Yip Mans Farmland unbrauchbar gemacht und sein Leben wurde schwer. Sobald die japanischen Truppen in Fatshan ankamen, hörten sie von Yip Mans Ruhm als Kampfkunstexperte, und sie wollten ihn als Ausbilder für Selbstverteidigung einstellen. Aber Yip Mans Patriotismus und sein Hass auf die ausländischen Eindringlinge war zu stark, so dass er ablehnte. Nach dem Krieg zog Yip Man mit seiner Familie nach Hongkong. Seine Selbstachtung und sein Eigensinn sowie die Tatsache, dass er von einer reichen Familie kam, machten es ihm sehr schwer, einen geeigneten Job zu finden. Deshalb musste er sich mit einem Leben in Armut zufrieden geben.

1949 bot man auf Vermittlung von Lee Man, einem Freund und Kung-Fu-Bruder Yip Mans, Yip Man den Posten eines Kung-Fu-Lehrers der Gewerkschaft der Hongkonger Restaurant-Arbeiter an. Nach vielen vergeblichen Versuchen, ihn dazu zu überreden, willigte Yip Man schließlich ein. Am Anfang waren die Mitglieder der Gewerkschaft an Yip Mans Unterricht nicht besonders interessiert, denn WT hatte nicht so “attraktive Stellungen und Figuren” wie die ihnen geläufigen Kung-Fu-Stile. Die Schönheit des WT ist nicht so offensichtlich wie bei anderen Stilen. Außerdem lag es Yip Man nicht, mit seinem Können anzugeben und auf Veranstaltungen in den Vordergrund zu treten. All das trug dazu bei, dass WT damals wenig bekannt wurde. Nachdem er zwei Jahre für die Restaurant-Arbeiter-Gewerkschaft unterrichtet hatte, wo nur wenige Schüler von ihm lernen wollten, öffnete er seine eigene WT-Schule im Yaumatei-Distrikt in Kowloon. Dorthin folgen ihm manche Restaurant-Arbeiter (Kellner und Köche), die ihn zum Teil beim unterrichten halfen. Aber auch ganz neue Schüler aus anderen Lebensbereichen kamen vermehrt hinzu. Als immer mehr Interessenten kamen, musste Yip Man größere Räumlichkeiten anmieten. Zu diesem Zeitpunkt hatten auch die Hongkonger Polizisten den praktischen Wert des WT erkannt und traten in immer größerer Zahl in seine Schule ein.

yipman03Als letzte Maßnahme, um WT zu fördern, gründete Yip Man 1967 mit Hilfe seiner Schüler die “Hong Kong Ving Tsun Athletic Association”. Zwei Jahre später, also 1969, schickte dieser Verband ein Team von Kämpfern zum First South East Asia Kung-Fu-Tournament, das in Singapore veranstaltet wurde. Das Team schnitt nicht so erfolgreich ab, wie der Verband das erwartet hatte. Deshalb kehrte Yip Man zurück, öffnete mehr Klassen und senkte auch die Unterrichtsgebühren.Vorher konnten aufgrund der hohen Schulgebühren nur die priviligierten Klassen WT lernen, nun erfolgte ein reger Zustrom auch der unteren Klassen, wodurch WT im Bekanntheitsgrad wuchs.

Im Mai des Jahres 1970, als der Unterricht in allen Klassen zufriedenstellend lief, zog sich Yip Man endgültig vom öffentlichen Unterrichten zurück. Er übergab seine Schule und seine Schüler seinen Ausbildern und wollte den Rest seines Lebens ruhig und zurückgezogen verbringen.

Ein Großmeister für alle Ewigkeit : Großmeister Yip Man.