Wing Tsun in Brasilien
08.11.2010:
Endlich ist es soweit. Meine Koffer sind gepackt und mein Vater fährt mich zum Bahnhof. Dort werde ich mit dem nächsten Zug nach Köln fahren. Auf dem Weg dorthin lese ich die letzten SMS die rein gekommen sind von Freunden und Schülern, die mir eine gute Zeit in Brasilien wünschen.
Am Kölner Bahnhof angekommen treffe ich Dai-Sifu und dann geht’s mit dem ICE weiter zum Frankfurter Flughafen. Alles läuft bis jetzt planmäßig. Um 20.15 Uhr geht unser 13stündiger Flug los – non stop nach Rio de Janeiro.
Auf dem langen Hinflug nach Rio erfahre ich von Dai-Sifu noch einiges über Brasilien. Auch bekomme ich Vorinfos zu unseren 28 Seminaren, die wir in Brasilien in den 15 Tagen abhalten werden.
Am 09.11. in Rio angekommen haben wir eine Stunde Aufenthalt. Dann geht’s schon wieder weiter mit einem Inlandsflug nach Belo Horizonte. Die Flugdauer nach Belo ist aber diesmal recht kurz, ca. 1 ½ Stunden. Im Flughafen in Rio bespricht Dai-Sifu mit mir meine Ausarbeitung für den 4. Lehrergrad in WingTsun. In Belo Horizonte angekommen, werden wir von dem zuständigen Trainer Sihing Emerson Ricardo und einem seiner Assistenten sehr freundlich empfangen und vom Flughafen zum Hotel gebracht.
Nach einem Mittagessen haben wir noch ca. 2 Stunden und dann geht es endlich zum ersten Seminar. Nach einer kleinen Verspätung – in Brasilien ganz normal, hier ticken die Uhren halt etwas anders – kommt der zuständige Trainer Sihing Emerson uns abholen und es geht zum Lehrgangsort. Dort warten alle Teilnehmer schon gespannt und es geht los. Auf dem Trainingsprogramm stehen Aufwärmübungen und einige Grundtechniken. Mein Eindruck von den brasilianischen Schülern in Belo Horizonte ist sehr positiv. Alle sind sehr nett und motiviert, Wing Tsun zu lernen. Dai-Sifu zeigt uns Anwendungen aus den Sektionen und Formen. Das erste Training ist sehr effektiv. Die Trainingseinheit endet abends um 22.30 Uhr. Zum Abschluss noch ein paar Fotos und eine nette Verabschiedung von den brasilianischen Teilnehmern und dann geht es zum Abendessen.
Um 23.00 Uhr ist das Seminar zu Ende. Morgen früh geht es für uns von Belo Horizonte nach Sao Paulo (ca. 20 Mio. Einwohner) und von Sao Paulo nach Uberlandia.
11.11.2010: Gut in Sao Paulo angekommen, sagt man mir vom Flugpersonal, dass mein Anschlussflug schon weg sei. Dai-Sifu sitzt bereits in dem Flieger Richtung Uberlandia. Da wir bei unterschiedlichen Reisebüros gebucht hatten, wurde sein Gepäck direkt vom Flieger aus umgeladen, während ich erst richtig aus- und wieder einchecken musste. Deshalb heißt es für mich jetzt, 6 Stunden auf den nächsten Flug nach Uberlandia zu warten. Endlich abends um 20.30 Uhr in Uberlandia angekommen sehe ich in der Ankunftshalle „Sifu Mario“ auf einem großen Schild geschrieben stehen, welches von einem brasilianischen Taxifahrer gehalten wird. Einfach gut organisiert das Ganze. Mit dem Taxi geht’s dann zum Hotel.
Am nächsten Morgen lerne ich die neuen angehenden Trainer kennen. Heute heißt es den ganzen Tag Wing Tsun-Training, und zwar trainieren wir die höheren Schülergrad-Programme. Das Training findet bei guten 27 °C und strahlendem Sonnenschein statt. Es ist schön, sich nach dem kalten Wetter in Deutschland durchwärmen zu lassen. Zum Mittagessen gehen wir in eine landestypische Churrascaria (brasil. Steakhouse). Dort wird Fleisch auf Spießen serviert mit Beilagen, wie Reis und Gemüse. Nach dem Mittagessen geht es weiter mit dem Training.
Nach einem langen Trainingstag werden die angehenden Trainer aus Uberlandia zum Trainer ernannt. Zum Abschluss bedanken sich die Trainer bei uns mit einer sehr netten Rede. Ich habe mich mit lobenden Worten an die Rede angeschlossen, denn ich finde sie haben die Ernennung wirklich verdient erhalten. Der Abend klingt aus bei einem gemeinsamen Essen mit den drei frisch gebackenen Trainern, mit denen wir natürlich auch auf ihr Diplom angestoßen haben.
13.11.2010: Um 8.30 Uhr geht unser Flug von Uberlandia zurück nach Sao Paulo. Von dort aus geht es weiter zur Hauptstadt Brasilia mit ca. 5 Mio. Einwohnern. Brasilia liegt im heißen Landesinneren. Sie ist eine moderne Stadt, die aus einem Guss entstanden ist. Der Grundriss Brasilias ähnelt je nach Sichtweise einem Schmetterling, einem Vogel oder einem Flugzeug.
Dort angekommen werden wir von einem der zuständigen Trainer abgeholt und zu unserem Hotel gebracht. Heute merken wir den wenigen Schlaf in den letzten Tagen. Nach drei Stunden Zeit für Essen und Ausruhen geht es zum nächsten Seminar. Auch hier steht WT auf dem Trainingsplan. Die Akademie befindet sich in einem Hinterhof in ganz einfachen Verhältnissen. Alle Teilnehmer sind sehr nett, freundlich und motiviert, WT zu lernen. Das Training geht auch heute bis 23.00 Uhr. Dann laden uns die Trainer zum Abendessen ein.
14.11.2010: Heute haben wir erst am Nachmittag das Training. Aber vorher treffen wir Sifu Andreas Geller, der die nächsten fünf Tage mit uns reisen wird. Am Nachmittag trainieren wir im Hotel auf der Terrasse. Das Training geht bis ca. 20.00 Uhr. Am Abend gehen wir mit den Trainern aus Brasilia etwas essen.
Am 15.11. treffen wir den ehemals ersten Ausbilder aus Brasilia, Sihing David. Um 15.00 Uhr fängt das Seminar an. Es findet in der Aula einer Schule statt. Da es in Brasilia viele ISMA-Trainer gibt, ist das Seminar mit guten 60 Teilnehmern besucht.
Alle Trainer in Brasilia sind sehr nett, offen und zuvorkommend zu mir. Zum Abschluss wieder Fotos und die abendliche Routine, nämlich ab zum Hotel, duschen und Abendessen.
16.11.2010: Wir fliegen von Brasilia nach Iguazu Falls, haben aber eine Zwischenlandung in Curitiba. Auf dem Hinflug nach Iguazu Falls habe ich zumindest die Möglichkeit, die berühmten Wasserfälle von Iguazu aus dem Flugzeug zu sehen. Sehr beeindruckend! Ich nehme mir gleich vor, wenn ich noch mal nach Brasilien reise, mir die Wasserfälle genauer anzusehen. Die Wasserfälle gehören seit 1984 zum Welterbe der Unesco. Hier stürzen 275 Kaskaden (größere und kleinere Wasserfälle) aus bis zu 82 m Höhe in die Tiefe.
Um 15.00 Uhr in Iguazu Falls gelandet, werden wir von dem Trainer Sihing Rogério empfangen.
Rogério fährt uns zu unserem eine Stunde entferntem Hotel in Cascavel. Es ist eine sehr schöne Stadt mit vielen Einkaufsmöglichkeiten. Einchecken ist bereits Routine geworden. Jetzt habe ich 1 ½ Stunden Zeit und dann geht’s zum Seminar. Sihing Rogério, seine Frau Elina und Sihing Domingos führen ein Fitness-Studio, in dem sie ihren WT-Unterricht anbieten. Auch hier werden wir sehr herzlich und freundlich empfangen. Das Seminar geht bis 22.00 Uhr. Danach beantworten wir noch einige Fragen und auch hier werden Fotos gemacht und einer der Schüler wird noch zum Trainer ernannt.
Das Abendessen findet mit den Trainern und den Schülern statt. Rogério und ich verstehen uns sehr gut. Ich spreche zwar kein portugiesisch, aber mit meinem italienisch kann ich mich sehr gut verständigen. Um 24.00 Uhr sind wir in unserem Hotel und morgen früh geht es um 10.00 Uhr nach Maringa.
Wir werden morgens in Iguazu an unserem Hotel abgeholt. Die Autofahrt nach Maringa dauert 4 Stunden. Auf der Fahrt habe ich endlich auch mal die Gelegenheit, etwas vom Landesinneren zu sehen. Brasilien ist ein unglaublich großes Land. Auf der Fahrt sehe ich sehr viel unberührte Natur, was auf die Bemühungen der Brasilianer in puncto Naturschutz zurück zu führen ist.
Wir fahren durch die Region Rio Verde. Es gibt hier viele Felder mit Soja-Anbau. Unglaublich. Es hat den Anscheint einer unendlichen Landschaft. Immer wenn es in die nächste Stadt reingeht, sieht man Straßenhändler mit Töpfen, Obst, Gemüse, Hängematten und vielem mehr am Straßenrand sitzen.
Endlich sind wir in Maringa angekommen. Vier Stunden im Auto sitzen reichen mir vollkommen. Es geht direkt ins Hotel. In Maringa bleiben wir drei Tage. Heute geben wir das erste Seminar bei der Polizei.
Das Thema wird sein „Umgang mit einem Aggressor, welcher mit einem Messer bewaffnet ist“. Die Kriminalitätsrate Brasiliens ist im Vergleich zum weltweiten Durchschnitt relativ hoch. Die brasilianische Polizei hat vor allem in den Städten mit Mord, Entführungen, Raubüberfällen und organisierten Drogensyndikaten zu kämpfen.
Um 18.00 Uhr treffen Sifu Andreas und ich uns in der Lobby, wo wir von dem zuständigen Ausbilder Sihing Eddy abgeholt und zur Polizeistation gefahren werden.
Direkt am ersten Tag kommt ein Fernsehteam zum Seminar. Ich führe einen Kampf gegen mehrere Aggressoren vor. Der Beitrag wird schon am nächsten Tag im brasilianischen Fernsehen ausgestrahlt.
Am zweiten Tag wird ein Tonfa-Lehrgang für die Polizeikräfte durchgeführt.
Zum Abschluss des Tages überrascht mich der zuständige Trainer Sihing Eddy mit seiner Frau. Sie schenken mir ein selbst gemaltes Bild auf einem Leinentuch, worüber ich mich sehr freue.
20.11.2010: Heute sind wir von Maringa nach Curitiba geflogen. Dort werden wir vom einem Trainer abgeholt. Curitiba ist übrigens einer der Austragungsorte der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien. Wir verabschieden uns von Sifu Andreas, der Seminare in anderen Städten alleine durchführt. Auch in Curitiba gibt es wieder ein sehr erfolgreiches Seminar.
Am nächsten Morgen fahren wir nach Blumenau, wo wir die letzten zwei Tage verbringen. Die Stadt Blumenau ist eine sehr schöne Stadt, die 1850 von Deutschen Einwanderern gegründet wurde. Hier gibt es viele Auswanderer aus Deutschland und auch aus Italien. Es wird jedes Jahr ein großes Oktoberfest gefeiert, das über eine halbe Million Touristen und Brasilianer aus anderen Landesteilen anzieht. Hier gibt es auch eine eigene Brauerei und ein Biermuseum!
In Blumenau treffen wir den zuständigen Trainer Sihing Angel. Das Seminar ist sehr interessant. Die Trainer sind stark an meinem organisatorischen WT Erfahrungen interessiert und wollen wissen, wie viele Akademien ich leite und wie man speziell Kinder- und Jugendgruppen aufbaut. Mit Hilfe von Sihing Jacson als Dolmetscher kann ich die ganzen Fragen die auf mich einstürmen beantworten.
Am letzten Tag fragt Rogério mich, ob ich mit seiner Frau Elina und zwei seiner Trainer zum Abschluss an den Strand fahren möchte. Es ist eine sehr schöne und willkommene Erholung nach dieser sehr intensiven Seminar-Reise.
Nun sind wir am Ende der Reise angekommen. Es war eine sehr interessante, intensive und erfahrungsreiche Reise, die mir sehr lange in Erinnerung bleiben wird.
Wieder zurück in Deutschland entsteht bei mir ein Gefühl des zu Hause seins und der Freude wieder mit den Schülern und Trainern zusammen zu sein.
Sifu Mario De Luca